Aktuelles
„Zu viel Verwaltungsrecht?“ – Zwischen Regelungsdichte und Rückbau


09.07.2025
Mit einem rechts-, verwaltungs- und politikwissenschaftliche Perspektiven vereinenden Vortrag zum Thema „Zu viel Verwaltungsrecht?“ setzte Prof. Dr. Martin Burgi von der LMU München die Vortragsreihe „Zu viel Recht?“ am 9. Juli 2025 fort.
„Verwaltungsrecht“ stand im Vortrag stellvertretend für den in der öffentlichen Diskussion dominierenden Begriff der „Bürokratie“, unter den Burgi, im Anschluss an Max Weber, sowohl die Implementierung staatlicher Rechtsregeln durch die Verwaltung als auch die Regeln selbst fasste.
Der Referent machte deutlich, dass eine produktive Debatte über ein Zuviel an Bürokratie eine präzise Terminologie erfordert. So sei im Bürokratiekontext kein schlichter „Abbau“ im Sinne eines einfachen Reduzierens notwendig, sondern ein gezielter „Rückbau“, verstanden als gestalterische Anpassung und Modernisierung der Bürokratie.
Sodann wurden differenziert die Gegenstände („Was“) und die Begünstigten von Entbürokratisierungsbemühungen („Wer“) beleuchtet. Durch den Rückbau hoheitlicher Aufgaben, materiellrechtlicher Vorgaben und Standards sowie von Verfahrensregeln könnten sowohl Grundrechtsträger als auch staatliche Stellen, allen voran die in ihrem Selbstverwaltungsrecht geschützten Kommunen, begünstigt werden.
Daran anknüpfend analysierte Burgi verschiedene in der Entbürokratisierungsdebatte thematisierte Maßnahmen. Kritisch zeigte er sich sowohl gegenüber sog. „1-in-1-out-Regeln“ als auch gegenüber „Checkstationen“, wie sie etwa der Zwischenbericht der Initiative für einen handlungsfähigen Staat vorschlägt. Sie verursachten zumeist mehr Aufwand als sie positive Rückbaueffekte erzielten. Potential hätten hingegen sog. Prüflabore, jedoch nur in ausgewählten Bereichen. Auch Anzeigepflichten und negative Schutznormen, die der Ausweitung von Klagebefugnissen entgegenwirkten, könnten zur Entlastung beitragen. Vor allem aber sei ein grundlegender Perspektivwechsel im Verwaltungsverfahren erforderlich: Statt von einem Grundmisstrauen auszugehen, sollte die Verwaltung den Bürgerinnen und Bürgern grundsätzlich Vertrauen entgegenbringen – etwa durch das Einholen einer Eideserklärung anstelle weiterer Nachweise.
Um einen effizienten Bürokratierückbau zu ermöglichen, präsentierte Burgi abschließend ein Prüfraster: Zuerst gilt es danach zu klären, welchen konkreten Nutzen die Rückbaumaßnahme erwarten lässt und wie dieser im Verhältnis zum Nutzen der abzuschaffenden Regelung steht. Anschließend müssten mögliche Bürokratieverlagerungen auf nachgeordnete staatliche Ebenen erkannt und vermieden werden. Zuletzt dürfe der Bürokratierückbau nicht im Widerspruch zu höherrangigem Recht stehen.
Der Vortrag stellte eindrucksvoll unter Beweis, dass für einen gelingenden Bürokratierückbau keine einfachen Lösungen zur Verfügung stehen. Um diese komplexe Herausforderung bewältigen zu können, bedarf es vielmehr eines differenzierten Ansatzes. Mit anderen Worten: Einem „Zuviel“ an Bürokratie gilt es wohlüberlegt mit dem Skalpell, nicht grob mit der Kettensäge zu begegnen.
„Zu viel Europarecht?“ – Auftakt der neuen Vortragsreihe mit Prof. Dr. Claus Dieter Classen


26.06.2025
Mit Antworten auf die Frage „Zu viel Europarecht?“ eröffnete Prof. Dr. Claus Dieter Classen von der Universität Greifswald am 26. Juni 2025 die neue Vortragsreihe „Zu viel Recht?“ im Rahmen der Greifswalder Rechtsvorträge.
Eingangs unterschied Classen zwischen einem systemexternen Maßstab für das richtige Maß von Recht, der auf die Auswirkungen von Recht auf Freiräume von privaten und öffentlichen Akteuren fokussiert, und einem systeminternen Maßstab, der in den Blick nimmt, ob das Recht seine Ziele noch wirksam erreichen kann.
Sodann widersprach der Referent mit Blick auf das unionale Primärrecht der in der Literatur vorgetragenen These einer „Überkonstitutionalisierung“ der Europäischen Union und einer damit vermeintlich einhergehenden (zu) großen Machtkonzentration beim Europäischen Gerichtshof. Das Vertragsrecht enthalte nur wenige materielle Vorgaben, bei deren interpretativen Entfaltung der Europäische Gerichtshof den Mitgliedstaaten einen erheblichen Gestaltungsspielraum belasse.
Mit Blick auf das Sekundärrecht sei hingegen durchaus eine Vielzahl von Rechtsakten und eine große Regelungsdichte zu diagnostizieren. Classen räumte die damit verbundenen Herausforderungen für Rechtsanwender ein, betonte jedoch, dass die hohe Anzahl und Dichte der Regelungen nicht als Produkte willkürlicher Überregulierung missverstanden werden dürften. Vielmehr lägen ihnen strukturelle Eigenheiten der Europäischen Union zugrunde, die man beklagen, aber kaum beseitigen könne. Viel Sekundärrecht – so Classen – habe zwar seinen Preis; weniger Sekundärrecht aber auch.
Ein gelungener Auftakt, der keine einfachen Antworten bereithielt, sondern zum Nachdenken anregte und damit den Ton für die weitere Vortragsreihe setzte.
Tagung „Rehabilitierungsrecht?" an der FAU Erlangen-Nürnberg

23.06.2025
Auf der Tagung „Rehabilitierungsrecht? Wiedergutmachung durch Urteilsaufhebung im gesellschaftlichen und rechtlichen Wandel" leitete Herr Wolff ein Panel zum Thema „Die neuere Praxis und ihre rechtliche Bewertung". Die intradisziplinäre Tagung beleuchtete aus rechtstheoretischer, rechtsdogmatischer und rechtspolitischer Perspektive das Phänomen der strafrechtlichen Rehabilitierung durch Urteilsaufhebungen. Aus der Tagung wird im kommenden Jahr ein Band bei Mohr Siebeck hervorgehen.
GreifPRAXIS startet mit hochkarätigem Auftakt: OLG-Rostock-Präsident Kai-Uwe Theede über die juristische Aufarbeitung des „Abgasskandals“



04.06.2025
Millionen betroffene Fahrzeuge und tausende Verfahren vor hunderten Gerichten – „Dieselgate“ zählt zu den größten justiziellen Herausforderungen der letzten Jahre. Welche juristischen Fragen wirft der Abgasskandal auf? Und wie gelingt es der Justiz, der dadurch ausgelösten Klagewelle standzuhalten? Diese und weitere Themen standen im Mittelpunkt des GreifPRAXIS-Auftakts am 4. Juni 2025.
Kai-Uwe Theede, Präsident des Oberlandesgerichts Rostock, beleuchtete die juristische Aufarbeitung des Skandals anhand zentraler Entscheidungen von BGH und EuGH und erläuterte die komplexen Zusammenhänge anschaulich und interaktiv anhand eines Falles.
Anschließend ging der Referent allgemein auf Herausforderungen ein, mit denen die Justiz gegenwärtig konfrontiert ist, zu denen neben der Bewältigung von Massenverfahren auch der Umgang mit künstlicher Intelligenz und die Nachwuchsgewinnung gehört. Schließlich gab Theede persönliche Einblicke in seinen vielfältigen Berufsalltag – zwischen richterlicher Tätigkeit und den administrativen Aufgaben eines OLG-Präsidenten.
Ein vielseitiger Abend, der juristische Tiefe mit praxisnaher Orientierung verband – und damit für alle Teilnehmenden bereichernd war.
Diskussion über die Auseinandersetzung mit dem NS in der juristischen Ausbildung

19.05.2025
Auf Einladung des Studentischen Vereins zur Förderung von Erinnerungskultur und der Fachschaftsinitiative Jura München diskutierte Daniel Wolff auf einem Panel an der LMU München darüber, ob sich rechtsstaatliche Haltung in der juristischen Ausbildung vermitteln lässt, wie Lehrende wie kritische Auseinandersetzung mit NS-Unrecht in aktuelle Prüfungsformate integrieren können und welche Konzepte der Integration der deutschen Unrechtsvergangenheiten in das juristische Studium bereits existieren.
Neuerscheinung: Populistische Verwaltungspolitik und wehrhafter Verwaltungsstaat

05.05.2025
Die Resilienz des demokratischen Verfassungsstaats gegenüber dem autoritären Populismus wird derzeit intensiv diskutiert. Die öffentliche Verwaltung hat in dieser Debatte bislang jedoch kaum Beachtung gefunden. In einem jüngst in der Zeitschrift „Die Verwaltung“ (2024, S. 509–546) erschienenen Beitrag untersucht Daniel Wolff das Schutzniveau, das das Bundesrechts unter Entfaltung der Verfassungsentscheidung für den wehrhaften Verwaltungsstaat gegenüber Strategien populistischer Verwaltungspolitik bietet. Dazu wird das konflikthafte Verhältnis des Populismus zur öffentlichen Verwaltung skizziert, die sowohl ideologisches Feindbild als auch notwendiges Werkzeug populistischer Regierungspolitik ist. Ferner werden konkrete populistische Verwaltungspolitiken auf den Steuerungsebenen Verhaltensnormen, Organisation und Personal identifiziert, um diese auf ihre rechtlichen Schranken hin zu untersuchen. Der Beitrag endet mit rechtspolitischen Anregungen, die das Schutzniveau gegenüber populistischer Verwaltungspolitik weiter erhöhen können.
Neuerscheinung: Verwaltung der Klimakrise. Die Vermessung des Klimaverwaltungsrechts

30.04.2025
Das von Christoph Krönke und Daniel Wolff herausgegebene Beiheft leistet einen Beitrag dazu, das im Entstehen begriffene Rechtsgebiet „Klimaverwaltungsrecht“ konzeptionell zu fassen, dogmatisch auszuformen, systematisch zu beschreiben sowie inter- und intradisziplinär zu rahmen. Das »Klimaverwaltungsrecht« nimmt alle Rechtsmaterien in den Blick, in denen die Verwaltung den Ursachen und Folgen des Klimawandels entgegenwirken bzw. diesen Rechnung tragen kann und soll.
Die dem Klimaverwaltungsrecht gewidmeten Beiträge sind aus Anlass eines wissenschaftlichen Symposiums zum 60. Geburtstag von Martin Burgi entstanden, der das Klimaverwaltungsrecht auf den Begriff gebracht hat. Ihm ist das Beiheft gewidmet.
Neuerscheinung: Transformationsgestaltung durch konsistente und kohärente Subventionspolitik

1.4.2025
Das Gelingen der ökologischen Transformation hängt von einer kohärenten Subventionspolitik ab, die klimafreundliche Maßnahmen fördert und klimaschädliche Subventionen abbaut. Der in der Zeitschrift für Umweltrecht (2025, S. 215–223) erschienene Beitrag von Daniel Wolff zeigt auf, dass die Gebote subventionspolitischer Kohärenz und Konsistenz nicht nur politischer Natur sind, sondern mit Blick auf Artikel 20a GG auch verfassungsrechtliche Dignität besitzen.
Neuerscheinung: Individualität und Kollektivität
10.3.2025
In jüngerer Zeit wird in Deutschland und Japan das Verhältnis von Individuum und Kollektiv sowie von Individualität und Kollektivität zunehmend gesellschaftlich wie politisch thematisiert und problematisiert. Das Verhältnis von Kollektiv und Individuum in »Kultur« und »Gesellschaft« in beiden Ländern bildet den Hintergrund für den soeben bei Mohr Siebeck erschienen und von Daniel Wolff gemeinsam mit Tomoaki Kurishima und Johannes Kaspar herausgegebenen Band „Individualität und Kollektivität“, dessen Beiträge individualistische und kollektivistische Dimensionen des jeweiligen Rechtssystems herausarbeiten. Dadurch soll sowohl ein gehaltvolleres Verständnis der gesellschaftlichen und kulturellen Kontextbedingungen der jeweiligen Rechtsordnungen ermöglicht als auch ein fruchtbarer Boden für zukünftige Projekte deutsch-japanischer Rechtsvergleichung bereitet werden. Erhältlich hier.