Langstrafenvollzug und Menschenrechte

Projektskizze

Mit dem Projekt wird die Verbesserung der Menschenrechtslage im Vollzug langer Freiheitsstrafen (i. e. mehr als fünf Jahre Freiheitsentzug) und ähnlicher Sanktionen sowie damit einhergehend der Lebensbedingungen und der Resozialisierungschancen der dort Untergebrachten angestrebt.

Die Grundlage der Studie bilden eine sekundärstatistische Analyse der Sanktionspraxis und ein Überblick über die Strafvollzugsinfrastruktur (Strafanstalten und ihre innere Organisation) der beteiligten Länder mit Blick auf langen Freiheitsentzug.

Darüber hinaus wird in jeweils zwei Anstalten der beteiligten Länder eine empirische Untersuchung mit einem multimodalen Ansatz unternommen, bei der neben der Situation und Perzeption der Gefangenen selbst auch die Rahmenbedingungen des Langstrafenvollzugs in den einzelnen Anstalten berücksichtigt werden. Dabei wird auf Erhebungsinstrumente zurückgegriffen, die für zwei vorangegangene Studien zum geschlossenen Männervollzug im Allgemeinen und zum Frauenvollzug entwickelt wurden. Besonderes Gewicht hat hier ein Fragebogen, mit dem erhoben wird, wie die Gefangenen selbst ihre Lebensumstände einschätzen. Die Instrumente werden im Hinblick auf die besonderen Problemlagen Langzeitinhaftierter überarbeitet.

Neben Daten zu den Lebensbedingungen in der Haft sollen auch Daten zu psychischen Belastungen, insbesondere Traumatisierungen, erhoben werden. Unabhängig von der Länge der Haft postulieren empirische Studien die Häufigkeit von psychischen Erkrankungen in einem Ausmaß von bis zu 95%. Auch die Häufigkeit von Traumata als ein wichtiger Risikofaktor für psychische Störungen bei Gefängnisinsassen wird auf bis zu 95% geschätzt, wobei 40-60% eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickeln. Selbst das eigene, meist schwerwiegende Delikt, aber auch die Haftbedingungen können dabei traumatisierend wirken. Als Moderatorvariablen solcher Haftschäden gelten einerseits individuelle Merkmale des Gefangenen selbst wie Persönlichkeitstraits, Alter und Gesundheitszustand, aber auch die Einstellung zur Tat und zur Haftstrafe, andererseits die Lebensbedingungen in der Haft.

Um das Wechselspiel aus psychischer Verfassung der Gefangenen und Langzeitunterbringung dimensional erfassen zu können, wird den Gefangenen selbst der erwähnte Fragebogen vorgelegt. Ergänzt wird dieses Erhebungsinstrument durch valide und reliable Selbstbeurteilungsinstrumente zur Erhebung allgemeiner Psychopathologie und traumatisierender Erfahrungen.

Die erhobenen Daten werden analysiert und aus den Ergebnissen Folgerungen für die Praxis abgeleitet. Es sollen also vor allem auf empirischer Basis „best practices“ im Langstrafenvollzug und Risikofaktoren, die eine bedarfsgerechte Vollzugspraxis gefährden, identifiziert werden. Zudem soll der Bedarf an psychiatrisch-psychologischer Behandlung ermittelt werden.

Die Erkenntnisse werden in Fachpublikationen und Fachvorträgen verbreitet werden. Darüber hinaus wird ein kompakter Arbeitsbericht zusammengestellt werden, der sich auch an Praktiker richtet.

Mit finanzieller Unterstützung des AGIS-Programms
Europäische Kommission - Generaldirektion Justiz, Freiheit und Sicherheit