Das Lehrkonzept der Schlüsselqualifikationen im Jurastudium

(Illustration KI-generiert)

Vom Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick (1921-2007) stammt der viel zitierte Grundsatz, dass es unmöglich ist, nicht zu kommunizieren. Denn während einer Interaktion zwischen Personen hat (fast) jedes Verhalten Mitteilungscharakter. Da Recht und Rechtswissenschaft die Verhaltensregeln einer Gemeinschaft von Individuen zum Gegenstand hat, unterliegt auch die Kommunikation im juristischen Umfeld diesem Grundsatz. Für den Erwerb oder die Vertiefung der Kommunikationsfähigkeit gilt: Man kann sie nicht erlernen, erweitern oder verändern, ohne sie zu praktizieren. Bei Schlüsselqualifikationen handelt es sich um "Fähigkeiten, die man wieder und wieder üben und trainieren muss, um allmählich zu erwerbende Techniken, wie man mit neuen, berufsbezogenen Situationen und Herausforderungen umgeht" - letztlich sogar um "Verhaltensweisen und innere Einstellungen" (Römermann/Paulus 2003: 4, § 10).

Hinzu kommt, dass die reformierte Juristenausbildung den Universitäten eine neue Ausbildungsdimension vorschreibt. Das bedeutet auch ein größeres Engagement zur aktiven Teilnahme und zum Eigenstudium: "Und doch liegt das Schwergewicht beim Erlernen der Qualifikationen eindeutig beim Studierenden selbst; er ist es, der sich nachhaltig (...) um seine Rhetorik, Kommunikationsfähigkeit oder sein Talent zur Streitschlichtung bemühen muss" (Römermann/Paulus, 2003, 30, § 85). Von den Studierenden wird verlangt, dass sie sich in weitaus stärkerem Maß selbst in den Unterricht "einbringen", d. h. ein deutlich größeres Engagement zur aktiven Teilnahme, zum Eigenstudium, ja zur Unterrichtsverantwortung aufbringen müssen, als dies in anderen Lehrformen der Fall ist (vgl. Römermann/Paulus 2003: 4, § 11). Auch verlangt dieser Ausbildungsteil ein hohes Maß an Kritik- und persönliche Analysebereitschaft. Die Studierenden sollen über ihre inneren Einstellungen selbst reflektieren und sensibel für kommunikative Prozesse gemacht werden.

Laut Studienordnung für den Studiengang Rechtswissenschaften sind als interdisziplinäre Schlüsselqualifikationen an der Universität Greifswald "Juristische Kommunikationstechniken" vorgesehen. Ihre Veranstaltungs- und Lernformen unterscheiden sich zum Teil gravierend von denen der Fachdisziplin. "Unterricht in Schlüsselqualifikationen kann nicht so durchgeführt werden wie der klassische Rechtsunterricht": Frontalvorlesungen hören, Notizen machen, akkumuliertes Wissen reproduzieren. Vielmehr wird der Unterricht in kleinen Gruppen stattfinden und vor allem induktiv vorgehen, indem die Studierenden die Regeln kommunikativer Prozesse aus dem Erfahrungen und Rückmeldungen der praktischen Übungen herausfiltern (vgl. Ponschab/Schweizer 2008: 3). Zur Methodik gehört auch eine aktive und passive Kritikfähigkeit, das Geben und Annehmen von angemessenem und sachlichem Feedback und besonders bei einem Rhetoriktraining die Analyse mithilfe von Videoaufzeichungen zur Reflexion über die eigene Wirkung gegenüber Adressaten.

Inhaltlich macht die Auflistung der Schlüsselqualifikationen im reformierten Richtergesetz ("Verhandlungsmanagement, Gesprächsführung, Rhetorik, Streitschlichtung, Mediation, Vernehmungslehre, Kommunikationsfähigkeit") mit dem vorangestellten Wort "wie" klar: Es handelt sich dabei lediglich um eine beispielhafte Aufzählung. Einerseits können nicht alle Schlüsselqualifikationen behandelt werden, andererseits gibt es noch weitere, mitzutrainierende Qualifikationen wie Teamarbeit, Zeitmanagement, Empathie- und Kritikfähigkeit sowie Veranwortungs- und Entscheidungsfähigkeit. Es kann sich daher in den Lehrveranstaltungen nur um eine Auswahl wichtiger Schlüsselqualifikationen und ausgesuchter Techniken handeln, die im Greifswalder Lehrangebot im wichtigen mündlich-kommunikativen Bereich liegt.

Die Studienordnung für den Studiengang Rechtswissenschaften in Greifswald sieht für die "Kommunikationstechniken für Juristen" ein Semester Dauer mit zwei Wochenstunden (insgesamt also 28 Kontaktstunden) vor. In jedem Semester werden zwei alternative Veranstaltungen angeboten, die unterschiedliche Kommunikationssituationen behandeln. Während die "Rhetorik im Jurastudium" semesterbegleitend vor allem die monologische Form und das Sprechen vor Publikum trainiert (Rede, visualisierter Vortrag), widmen sich die "Techniken der Gesprächsführung und Konfliktlösung" der interaktiven Form der Kommunikation und der kooperativen Konfliktlösung (Gespräch, Verhandlung, Konfliktbearbeitung) in einer Blockveranstaltung nach Vorlesungsende.

Die Lehrveranstaltung teilt sich in einen wissens- und in einen fertigkeitsvermittelnden Bereich. Schwerpunkt bildet der praktische Teil in Form von Seminarterminen zu je vier Stunden in Kleingruppen. Dort soll das erlernte Wissen in praktischen Redeübungen, Videoanalysen (nur "Rhetorik im Jurastudium"), Diskussionen, Fallstudien sowie Gesprächs- und Verhandlungssimulationen (nur "Techniken der Gesprächsführung und Konfliktlösung") ausprobiert, erfahren und reflektiert werden. Für jeden Termin ist in der Regel eine Vor- und Nachbereitung nötig. Der wissenvermittelndeTeil findet in Form von drei zweistündigen Online-Vorlesungen (über BigBlueButton im Moodle-Kurs) statt.

Quellen

  • Ponschab, Reiner/Schweizer, Adrian (Hg.): Schlüsselqualifikationen Kommunikation, Mediation, Rhetorik, Verhandlung, Vernehmung, Köln 2008.
  • Römermann, Volker/Paulus, Christoph: Schlüsselqualifikationen für Jurastudium, Examen und Beruf, München 2003.
  • Tröger, Thilo: Rhetorik für Juristen. Recht reden, Baden-Baden 2021, S. 53 ff.